Studie: Erneuerbare Energien deutlich günstiger als Gas – Milliarden-Investitionen nötig
18.09.2025: Deutschland steht vor einem gewaltigen Kraftakt in der Energiepolitik. Der Umbau des Stromsystems in Richtung Klimaneutralität verlangt nach riesigen Summen: Mehr als 651 Milliarden Euro müssen bis 2045 in Netze, Anlagen und Infrastruktur gesteckt werden, so das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Mannheim gemeinsam mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur reicht bei weitem nicht aus, um die Netze fit für die Energiewende zu machen. Zusätzlich fallen hohe Kosten für den Bau von Windkraftwerken, Solaranlagen und weiteren emissionsfreien Technologien an.
Der Hintergrund: Durch den Umstieg von Öl, Gas und Kohle auf Elektrizität wächst der Strombedarf enorm. Laut dem Ariadne-Report wird sich der Verbrauch bis 2045 mehr als verdoppeln, weil Verkehr, Heizungen und große Teile der Industrie künftig mit Strom laufen sollen. Lediglich einige wenige Sektoren – etwa Luft- und Schifffahrt oder Teile der Chemieindustrie – dürfen noch länger fossile Energieträger nutzen, sollen jedoch perspektivisch ebenfalls auf synthetische Kraftstoffe oder grünen Wasserstoff umsteigen. Auch diese Alternativen müssen mit erneuerbarem Strom erzeugt werden.
Kosten und Einsparungen im Vergleich
Die hohen Summen für den Umbau wirken auf den ersten Blick abschreckend. Doch Forschende betonen, dass gleichzeitig enorme Einsparungen bei den Importen fossiler Energien möglich sind. Jedes Windrad und jedes Solarmodul trägt dazu bei, weniger Gas, Öl oder Kohle aus dem Ausland einkaufen zu müssen. Zudem steigt die Effizienz der Anlagen stetig: In der Photovoltaik sorgen neue Halbleitermaterialien für höhere Wirkungsgrade, sodass mehr Energie auf gleicher Fläche erzeugt werden kann. Auch moderne Windkraftanlagen liefern deutlich mehr Strom als ältere Modelle.
In der Vergangenheit führte der Ausbau erneuerbarer Energien zwar zu steigenden Strompreisen, was für die Industrie ein Wettbewerbsnachteil war. Doch inzwischen hat sich die Lage gewandelt: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme errechnete, dass Wind- und Solarstrom heute mit Erzeugungskosten von lediglich fünf bis zwölf Cent pro Kilowattstunde produziert werden können – abhängig vom Standort und den jeweiligen Bedingungen.
Debatte um Gaskraftwerke
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hält dennoch an zusätzlichen Gaskraftwerken fest. Sie argumentiert, diese könnten Versorgungslücken bei Dunkelheit und Windflauten schließen und durch ihre Nähe zu großen Verbrauchern Netzkapazitäten sparen. Außerdem ließe sich der Strompreis stabilisieren, wenn genügend gesicherte Kraftwerksleistung vorhanden sei.
Viele Expertinnen und Experten widersprechen jedoch. Strom aus flexiblen Gaskraftwerken sei deutlich teurer: Mit 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde liege er weit über den Kosten erneuerbarer Erzeugung. Forschende schlagen daher vor, stärker auf Speicherlösungen zu setzen. Große Batteriespeicher könnten überschüssigen Solarstrom aufnehmen und später wieder einspeisen. In Norddeutschland empfehlen Wissenschaftler zudem Elektrolyseure, die aus Windstrom grünen Wasserstoff produzieren. Dieser könne entweder direkt in der Industrie genutzt oder später wieder verstromt werden. Laut einer Studie der Universität Hannover und des Instituts für Solarenergieforschung ließe sich durch solche regionalen Speicherstrukturen der Netzausbau begrenzen und Milliarden sparen. Verzögerungen hingegen könnten Mehrkosten von bis zu 60 Milliarden Euro verursachen.
Politische Kontroversen
Katherina Reiche selbst steht politisch unter Druck. Von 2009 bis 2013 war sie im Kabinett Merkel II Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium. In dieser Funktion trug sie entscheidend zum sogenannten Altmaier-Knick bei – einer Förderkürzung, die den Ausbau der Solarenergie massiv abbremste und die Solarwirtschaft in Deutschland in die Knie zwang. Kritiker sehen darin einen entscheidenden Einschnitt, der die Energiewende jahrelang verzögerte.
Als frühere Chefin der Eon-Tochter innogy Westenergie (2020 bis 2025), einem der größten Gasnetzbetreiber Deutschlands, wird ihr eine Nähe zur Gasbranche nachgesagt. Kritiker werfen ihr vor, den Einfluss fossiler Interessen in die Bundesregierung hineinzutragen. Tatsächlich setzt sie auf Projekte, die stark von der Gaswirtschaft profitieren würden: Sie will neue Gaskraftwerke ohne spätere Umrüstungsmöglichkeit auf Wasserstoff errichten lassen, auf der Insel Borkum Gas fördern und äußert sich kritisch über Wärmepumpen sowie den beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie.
Beobachter warnen, dieser Kurs könne die Energiewende ausbremsen. Während erneuerbare Energien heute schon die günstigste Form der Stromerzeugung darstellen, würden Investitionen in fossile Technologien Abhängigkeiten verlängern und langfristig Kosten erhöhen.