Stromkosten: Warum Strompreise trotz Ausbau erneuerbarer Energien steigen können
19.11.2025: Der Zusammenhang zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und den Strompreisen ist komplex und wird häufig missverstanden. Grundsätzlich sind erneuerbare Technologien wie Wind- und Solarenergie heute kostengünstige Formen der Stromerzeugung. Ihre reinen Produktionskosten sind in den vergangenen Jahren stark gesunken und liegen vielfach deutlich unter denen fossiler Kraftwerke, insbesondere solcher, die Brennstoffe wie Gas oder Kohle benötigen.
Dennoch zeigen einige Länder mit hohem Ausbaugrad erneuerbarer Energien erhöhte Endkundenpreise. Dies führt oft zu der fehlerhaften Annahme, erneuerbare Energien würden den Strom „an sich“ verteuern. In Wirklichkeit liegen die Ursachen überwiegend im System rund um die Stromerzeugung und nicht in den erneuerbaren Technologien selbst.
Günstige Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen
Erneuerbare Energien verursachen im Betrieb nahezu keine Brennstoffkosten. Windräder und Solaranlagen benötigen weder Gas noch Kohle, was sie unabhängig von volatilen Weltmarktpreisen macht. An Strombörsen führt dies zu sinkenden Marktpreisen, sobald Wind und Sonne reichlich verfügbar sind.
Dieser sogenannte Merit-Order-Effekt bewirkt, dass teure Kraftwerke durch ihre Einspeisung aus dem Markt gedrängt werden. Länder wie Deutschland beobachten deshalb zunehmend Stunden mit sehr niedrigen oder sogar negativen Börsenstrompreisen. Diese günstigen Erzeugungskosten schlagen sich jedoch nicht automatisch in niedrigen Endkundenpreisen nieder.
Netzausbau als wesentlicher Kostentreiber
Ein entscheidender Faktor für steigende Strompreise in Ländern mit hohem Anteil erneuerbarer Energien ist der notwendige Ausbau der Stromnetze. Windstrom wird häufig in Regionen erzeugt, die weit von Industriezonen oder Ballungsräumen entfernt liegen. Besonders Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee müssen ihren Strom über Hunderte Kilometer in die Verbrauchszentren transportieren.
Der Aufbau leistungsfähiger Nord-Süd-Trassen, neuer Umspannwerke und zusätzlicher Regeltechnik ist teuer und dieser Kostenblock wird über die Netzentgelte direkt an die Verbraucher weitergegeben. Je schneller und größer der Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt, desto stärker fallen diese Netzkosten ins Gewicht.
Kosten für Backup-Kapazitäten und Systemstabilität
Wind- und Solarenergie sind nicht konstant verfügbar. Um ein stabiles Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Reservekapazitäten bereitstehen, die einspringen, wenn erneuerbare Einspeisung schwankt. In den meisten Ländern übernehmen gasbetriebene Kraftwerke diese Aufgabe. Auch wenn sie vergleichsweise selten laufen, müssen sie dennoch vorgehalten und finanziert werden. Hinzu kommen Kosten für Speichertechnologien, Regelenergie und weitere Systemdienstleistungen.
Diese Ausgaben sind notwendig, um ein Energiesystem mit hohem Anteil volatiler Erzeugung zuverlässig zu betreiben. Sie erhöhen jedoch die allgemeinen Systemkosten und können deshalb zu höheren Endkundenpreisen führen.
Rolle staatlicher Abgaben und Umlagen
In einigen Staaten wurden die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien über Umlagen finanziert, die direkt auf den Strompreis aufgeschlagen wurden. Deutschland hat dies über zwei Jahrzehnte mit der EEG-Umlage praktiziert. Sie war eine staatliche Abgabe auf den Strompreis, mit der der Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie finanziert wurde. Zum 01. Januar 2023 wurde die EEG-Umlage abgeschafft.
Solche politischen Instrumente können die Endkundenpreise besonders dann in die Höhe treiben, wenn sie nicht durch Senkung anderer Abgaben oder Steuern ausgeglichen werden. Auch wenn viele Länder diese Umlagen inzwischen reduziert oder abgeschafft haben, wirkt ihre historische Gestaltung nach.
Lösungsansätze für ein kosteneffizientes erneuerbares Energiesystem
Um die Strompreise auch in einem weitgehend erneuerbaren Energiesystem stabil und bezahlbar zu halten, gibt es mehrere Ansatzpunkte. Zunächst ist ein vorausschauender, koordinierter Netzausbau entscheidend. Frühzeitige Planung, beschleunigte Genehmigungsverfahren und der Ausbau sowohl großer Übertragungsleitungen als auch regionaler Verteilnetze verringern Engpässe und vermeiden teure Redispatch-Maßnahmen.
Gleichzeitig müssen Speichertechnologien deutlich schneller skaliert werden. Dazu gehören sowohl Batteriespeicher für kurzfristige Schwankungen als auch Pumpspeicher für den mittelfristigen Ausgleich von Schwankungen und Langzeitspeicher.
Synthetische Brennstoffe ermöglichen die langfristige Speicherung erneuerbarer Energie, indem überschüssiger Strom per Power-to-Gas-Technologie in Wasserstoff oder Methan umgewandelt wird. Diese Gase lassen sich in großen Mengen unterirdisch oder in Tanks lagern und bei Bedarf wieder nutzen. Auf diese Weise können sie Schwankungen der Stromerzeugung ausgleichen und Energie über längere Zeiträume für Wärme, Industrieprozesse oder als klimaneutralen Kraftstoff bereitstellen. Die Kosten solcher Speicher sinken bereits und können durch klare politische Rahmenbedingungen weiter reduziert werden.
Smarte Steuerung des Stromverbrauchs
Zusätzlich spielt die Flexibilisierung des Verbrauchs eine große Rolle. Sektorkopplung, also die Verbindung des Stromsektors mit dem Wärme-, dem Industrie- und dem Mobilitätssektor, ermöglicht es, Verbrauchsspitzen zu glätten und Überschussstrom sinnvoll zu nutzen. Schlüsselfaktoren sind die Nutzung von überschüssigem Strom zur Erzeugung anderer Energieträger – etwa Wärme im Rahmen von Power-to-Heat oder gasförmigen Energien über Power-to-Gas – sowie die umfassende Elektrifizierung des Verkehrs.
Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und industrielle Verbraucher können durch intelligente Steuerung preisgünstige Zeiten nutzen und damit sowohl das Netz stabilisieren als auch individuelle Energiekosten senken.
Auf politischer Ebene sind Reformen der Strompreisgestaltung notwendig, insbesondere eine Abkopplung der Endkundenpreise von rein fossilen Preisbildungseffekten. Marktdesigns, die Flexibilität belohnen und den Einsatz erneuerbarer Energien priorisieren, können die Gesamtkosten signifikant senken. Schließlich kann eine stärkere europäische und internationale Vernetzung der Stromsysteme helfen, Schwankungen besser auszugleichen und die Nutzung regional unterschiedlicher Erzeugungsprofile zu optimieren. Ein größerer Austauschraum führt langfristig zu niedrigeren Gesamtinvestitionen und stabileren Preisen.