Produktnorm für Steckersolaranlagen: Widerstand gegen internationalen Normenentwurf
23.06.2025: In Deutschland soll bis spätestens zum dritten Quartal 2025 eine neue Produktnorm für steckerfertige Photovoltaiksysteme, auch bekannt als Steckersolaranlagen oder Balkonkraftwerke, veröffentlicht werden. Diese Norm trägt die Bezeichnung DIN VDE V 0126-95 und wird grundlegende Sicherheitsanforderungen sowie Prüfverfahren für diese Geräte definieren. Ziel ist es, sowohl Herstellern und Anbietern als auch Prüfinstitutionen eine verbindliche und einheitliche Grundlage zu bieten.
Damit könnten die Sicherheit und Qualität solcher Systeme nachhaltig verbessert werden. Die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE), die für die nationale Normung verantwortlich ist, verspricht sich durch die Norm eine größere Klarheit für den Markt und eine vereinfachte rechtliche Handhabung im Alltag der Nutzerinnen und Nutzer.
Internationale Norm droht einfache Steckdosenlösung für Balkonkraftwerke zu verbieten – Interessenkonflikt mit der DKE
Parallel dazu wird jedoch auf internationaler Ebene an einer anderen Norm gearbeitet: Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) entwickelt derzeit die IEC 60364-7-751, die ebenfalls Anforderungen an die Errichtung von Stromerzeugungsanlagen formulieren soll. Diese internationale Initiative könnte allerdings in einem wesentlichen Punkt mit der deutschen Herangehensweise kollidieren.
Denn laut dem aktuellen Entwurf soll der Anschluss von Stromerzeugungseinheiten – wie Balkonkraftwerken – an normale Haushaltsstromkreise über herkömmliche Steckvorrichtungen untersagt werden. Bereits 2008 hatte eine ältere IEC-Norm (IEC 60364-5-55) eine ähnliche Position vertreten, die nun offenbar erneut aufgegriffen wird. Die DKE sieht diese Regelung kritisch und kündigte an, im Normungsverfahren aktiv Einwände zu erheben.
Konfliktpotenzial zwischen internationalen und nationalen Regelwerken
Die technische Ausrichtung des IEC-Entwurfs unterscheidet sich deutlich von der nationalen Produktnorm DIN VDE V 0126-95. Während die deutsche Norm vorrangig die Gerätesicherheit – etwa bei Wechselrichtern, Steckern oder Schutzmechanismen – adressiert, fokussiert sich der IEC-Entwurf auf Installationsvorgaben, insbesondere im Zusammenhang mit der Einbindung ins Stromnetz.
Sollte sich der internationale Vorschlag durchsetzen, könnte dies zur Folge haben, dass Steckersolaranlagen künftig nicht mehr einfach über eine herkömmliche Steckdose betrieben werden dürfen. Stattdessen wäre ein separat abgesicherter Stromkreis erforderlich – was zusätzliche Kosten und technischen Aufwand bedeuten würde. Die deutsche Errichtungsnorm DIN VDE 0100-551 sowie deren Vornorm DIN VDE V 0100-551-1 könnten davon betroffen sein. Dennoch weist die DKE darauf hin, dass eine automatische Übernahme internationaler Normen nicht vorgesehen ist. Anpassungen an nationale Gegebenheiten seien möglich und üblich.
Internationale Branche kritisiert die Entwürfe ebenfalls
Nicht nur von offizieller Seite, auch aus der Branche selbst kommt Kritik. So äußerte sich Bryan Liu, CEO des Solargeräteanbieters Zendure, deutlich gegen den aktuellen IEC-Entwurf. Er befürchtet, dass die geplanten Anforderungen eine Hürde für die breite Nutzung von Balkonkraftwerken darstellen könnten.
Eine verpflichtende professionelle Installation würde laut Liu vor allem einkommensschwache Haushalte und Mieter benachteiligen. Die bislang einfache und kostengünstige Plug-and-Play-Lösung könnte durch neue Vorschriften obsolet werden – mit negativen Folgen für die Energiewende. Deshalb begrüßt Zendure ausdrücklich die kritische Haltung der DKE und ruft dazu auf, den Entwurf entsprechend anzupassen, um ein inklusives und bürgernahes Energiesystem zu fördern.
Insgesamt zeigt sich, dass die Ausgestaltung technischer Normen weit über bloße technische Details hinausreicht. Sie haben direkte Auswirkungen auf Zugänglichkeit, Wirtschaftlichkeit und letztlich auch auf den Fortschritt der dezentralen Energieversorgung. Der weitere Verlauf der Normungsverfahren – sowohl national als auch international – bleibt daher mit Spannung zu beobachten.
Bild: KI-generiert