Jobmotor Energiewende: Arbeitskräfte in der Branche werden knapp
20.08.2025: Der Umbau des Energiesystems in Deutschland erfordert deutlich mehr Fachkräfte, als derzeit verfügbar sind. Nach aktuellen Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden allein für Wind- und Solaranlagen bis 2030 rund 157.000 zusätzliche Beschäftigte gebraucht. Bis 2040 sinkt dieser Bedarf zwar leicht, doch bleibt er mit über 100.000 neuen Kräften weiterhin sehr hoch. Hinzu kommt: Für Maßnahmen zur Klimaanpassung und zur Bekämpfung der Erderwärmung werden weitere Zehntausende Arbeitskräfte benötigt.
Die Herausforderung liegt jedoch darin, dass die dringend gesuchten Fachkräfte in Bereichen arbeiten, die schon heute mit Engpässen zu kämpfen haben. Insbesondere in der Elektro- und Energietechnik sind die durchschnittlichen Suchzeiten für offene Stellen mit über 110 Tagen besonders lang. Auch Bauunternehmen sowie Hersteller von Baustoffen melden große Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden.
Demografischer Wandel verursacht Engpässe in technischen Berufen
Die IAB-Studie zeigt, dass die Energiewende vor allem im Baugewerbe, in der Energieversorgung, in der Forst- und Landwirtschaft sowie in der IT-Branche zusätzlichen Bedarf erzeugt. Gleichzeitig wirkt der demografische Wandel: Immer mehr Fachkräfte gehen in Rente, während weniger junge Menschen nachrücken. Das verschärft die Situation erheblich.
Ein Beispiel: Im Hochbau dauert es im Durchschnitt bereits mehr als drei Monate, bis eine offene Stelle besetzt ist. In der Baustoffproduktion liegt der Wert ähnlich hoch. Solche Verzögerungen könnten den Ausbau von Windrädern und Photovoltaik erheblich ausbremsen.
Mehr Ausbildung, Zuwanderung und Weiterbildung
Um die drohende Lücke zu schließen, fordern Arbeitsmarktforscher eine bessere Nutzung vorhandener Potenziale. „Wir müssen Beschäftigte aus Branchen mit sinkender Nachfrage so qualifizieren, dass sie in den Bereichen der Energiewende eingesetzt werden können“, erklärte IAB-Experte Christian Schneemann. Als Hebel gelten eine stärkere Förderung technischer Berufe, die erleichterte Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie ein höherer Arbeitsmarktzugang für Frauen und ältere Beschäftigte.
Auch die Ampel-Regierung ließ eine eigene Analyse erstellen, die sogar von bis zu 500.000 zusätzlich benötigten Kräften bis 2030 ausgeht – also deutlich mehr als die IAB-Prognose. Neben dem Aufbau neuer Infrastruktur gehe es auch um den späteren Betrieb und die Wartung, was die Anforderungen weiter steigere.
Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung unterstreicht, dass die meisten offenen Stellen im technischen oder handwerklichen Bereich liegen. Besonders in der Solarbranche sind rund die Hälfte der Jobangebote Ausbildungsplätze – gesucht werden etwa Dachdeckerinnen für die Installation von Solarmodulen oder Elektriker für den Anschluss der Anlagen.
Im Wärmebereich sieht es ähnlich aus: Heizungsinstallateure für Wärmepumpen und qualifizierte Elektrofachkräfte stehen hoch im Kurs. In der Windenergiebranche dagegen werden überwiegend höhere Abschlüsse wie Meister, Bachelor oder Master verlangt. Solche Positionen sind meist besser bezahlt, erfordern aber ein längeres Ausbildungsprofil.
Breites Jobangebot – auch für Quereinsteiger
Viele Firmen öffnen sich angesichts der großen Nachfrage auch für Quereinsteiger. Durch Teilqualifikationen oder staatlich geförderte Weiterbildungen können Interessierte in die Branche wechseln, ohne sofort eine dreijährige Ausbildung absolvieren zu müssen. Das senkt die Hürde für Menschen mit familiären Verpflichtungen oder bereits bestehenden Berufserfahrungen.
Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits ist der Fachkräftebedarf für die Energiewende enorm, andererseits sind die entsprechenden Arbeitsmärkte schon heute überlastet. Ohne gezielte Maßnahmen bei Ausbildung, Weiterbildung und Integration ausländischer Fachkräfte sowie einer besseren Einbindung von Frauen und älteren Beschäftigten droht das zentrale Zukunftsprojekt massiv ins Stocken zu geraten.