Energiewende: Reiche fordert Beteiligung der Erneuerbaren am Netzausbau

Rentnerehepaar vor Haus mit Photovoltaik18.07.2025: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will die Energiepolitik stärker auf Wirtschaftlichkeit und Systemverantwortung ausrichten. Im Zentrum steht dabei eine Neuausrichtung der Energiewende, bei der Betreiber von Ökostromanlagen künftig auch finanziell zum Ausbau der Stromnetze beitragen sollen. „Die Erneuerbaren können und müssen mehr Verantwortung übernehmen“, sagte Reiche gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Bislang werden die Netzausbaukosten hauptsächlich über die allgemeinen Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt – ein Umstand, den Reiche ändern will.

Zudem fordert die Ministerin, dass erneuerbare Energien nicht nur als klimafreundlich gelten, sondern auch zur Netzstabilität und Steuerbarkeit beitragen. Um die Schwankungen bei Wind- und Sonnenstrom auszugleichen, seien etwa Speichertechnologien zwar hilfreich, reichten allein jedoch nicht aus. Die Ministerin kündigte deshalb für Ende des Sommers einen umfassenden „Realitätscheck“ zur Energiewende an, um die bisherigen Annahmen und Strategien kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu justieren.

Fokus auf Kosteneffizienz und Systemverantwortung

Reiche strebt dabei nicht nur eine Verlagerung von Lasten, sondern auch eine grundsätzliche Effizienzsteigerung an. Die Umstellung auf erneuerbare Energien müsse mit möglichst niedrigen Kosten einhergehen. Die Energiewende könne nur erfolgreich sein, wenn Ausbau und Wirtschaftlichkeit in Einklang gebracht würden, so die CDU-Politikerin. In der Vergangenheit sei die Politik zu stark auf den bloßen Zubau fokussiert gewesen – nun müsse der Fokus auf eine bezahlbare, praktikable Umsetzung gerichtet werden.

Das Tempo beim Stromnetzausbau bereitet der Ministerin zusätzlich Sorgen. Tausende Kilometer neuer Leitungen sind geplant, um etwa Windstrom aus Norddeutschland in den Süden zu transportieren – bisher ist jedoch ein erheblicher Teil der Projekte nicht umgesetzt. Das führt dazu, dass Windkraftanlagen gedrosselt und teure Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Für Reiche ist klar: Ohne Beitrag der Erneuerbaren zu den Systemkosten droht eine weitere finanzielle Belastung für Verbraucher und Unternehmen.

Neuausrichtung der Energiepolitik sorgt für Kritik

Mit ihrer klaren Abkehr von den Prioritäten ihres Vorgängers Robert Habeck (Grüne) löst Reiche Kontroversen aus. Während Habeck den Ausbau erneuerbarer Energien nahezu bedingungslos vorangetrieben hatte, stellt Reiche inzwischen sogar die bisherigen Annahmen zum künftigen Strombedarf infrage. Im Rahmen ihres „Realitätschecks“ soll geprüft werden, ob die bisherigen Ausbauziele überdimensioniert sind. Teile der Industrie begrüßen diesen Ansatz. Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) vergleichen die bisherigen Pläne mit der Überdimensionierung einer Familienwohnung – zu teuer und nicht praxisnah.

Auf Seiten der Grünen hingegen wächst die Besorgnis. Sie sehen wichtige klimapolitische Errungenschaften in Gefahr. Michael Kellner, früher Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, warnt vor einem Rückschritt bei den Klimazielen. Die unklare Strategie über die künftige Ausrichtung verunsichere Unternehmen und Investoren, kritisiert auch die Energiebranche. Langfristige Planungen seien kaum möglich, wenn politische Leitlinien instabil seien.

Gaskraftwerke als Teil der Lösung – aber wie?

Einigkeit herrscht zumindest in einem Punkt: Deutschland braucht Gaskraftwerke als Backup für sogenannte Dunkelflauten – Zeiten, in denen weder Wind noch Sonne genug Energie liefern. Reiche will Gaskraftwerke mit bis zu 20 Gigawatt Leistung bauen lassen. Der Unterschied zu Habecks Plänen: Während der Grünen-Politiker einen klaren Fokus auf den Einsatz von grünem Wasserstoff legte, bleibt Reiche eine solche Verpflichtung schuldig. Das stößt auf Kritik – unter anderem von Klimaschützern, die die Gefahr einer langfristigen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sehen.

Die Energiebranche drängt unterdessen auf schnelle Entscheidungen. Sechs Jahre Bauzeit bedeuten, dass bereits heute gehandelt werden müsse, um die Versorgungssicherheit von morgen zu garantieren. Noch aber fehlen klare gesetzliche Grundlagen. Reiche steht damit vor der Herausforderung, ihre Ankündigungen rasch in konkrete Maßnahmen umzusetzen – und dabei den Spagat zwischen Kosten, Klimazielen und Versorgungssicherheit zu meistern.

Konkrete Pläne gibt es bislang nicht. Mit dem EU-Emissionshandel, der ab 2027 auf private Haushalte ausgeweitet wird, wird sich zeigen, ob Reiches Pläne tatsächlich richtig waren. Wer jetzt Erneuerbare finanziell so belastet, dass private Haushalte und Unternehmen auf eine sinnvolle Umrüstung verzichten, der verschweigt, dass die Kosten für fossile Energieträger stark steigen werden, und treibt den Endverbraucher möglicherweise in eine andere Kostenfalle. Nach Reiches Plänen wird es für den Endverbraucher so oder so teuer – unabhängig vom Energieträger.

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