Agri-Photovoltaik: Gewaltiges Potenzial für Deutschlands Energiewende
09.07.2025: Eine neue Analyse des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) offenbart ein enormes Potenzial für Agri-Photovoltaik (Agri-PV) in Deutschland. Die Forscher aus Freiburg untersuchten erstmals sämtliche landwirtschaftlich genutzten Flächen – darunter Ackerland, Dauergrünland sowie Dauerkulturen wie Obst- und Weinbau – und bewerteten diese anhand zahlreicher technischer, rechtlicher und agrarökonomischer Kriterien.
Das Ergebnis: Bereits auf den am besten geeigneten Flächen könnten Anlagen mit einer Gesamtleistung von 500 Gigawatt installiert werden. Damit übersteigt allein dieses Teilpotenzial das derzeitige Photovoltaik-Ausbauziel Deutschlands für das Jahr 2040 deutlich – ein Weckruf an die Politik.
Doppelte Nutzung wertvoller Flächen mit vielfältigen Vorteilen
Agri-Photovoltaik beschreibt die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln und die Erzeugung von Solarstrom. Durch diese Doppelnutzung lassen sich Flächen besonders effizient einsetzen, ohne dass dabei fruchtbarer Boden verloren geht.
Zudem wird die Lichtverteilung gezielt gesteuert, um sowohl die Stromproduktion als auch die Pflanzenentwicklung zu optimieren. Die Technologie fördert nicht nur die Energieerzeugung, sondern auch die regionale Wirtschaft, indem Landwirte, Kommunen und kleine sowie mittelständische Unternehmen in Projekte eingebunden werden. Dadurch entstehen neue, wirtschaftlich tragfähige Betriebsmodelle für die Landwirtschaft.
Verschiedene Szenarien zeigen gewaltiges Potenzial der Agri-Photovoltaik
Das Fraunhofer ISE hat mehrere Szenarien entwickelt, um das Potenzial der Agri-PV genauer zu erfassen. Im ersten Anwendungsfall wurden Flächen mit harten Ausschlusskriterien wie Naturschutzgebieten ausgeklammert – dennoch blieben Flächen mit einem Potenzial für 7.900 Gigawatt übrig.
Im zweiten Modell wurden auch weichere Einschränkungen wie Flora-Fauna-Habitate berücksichtigt, was das nutzbare Potenzial auf 5.600 Gigawatt reduzierte. Insbesondere Bayern zeigt sich als besonders geeigneter Standort, mit bis zu 3.500 Gigawatt technisch möglicher Leistung.
Niedersachsen/Bremen folgen mit ebenfalls beeindruckenden Werten, während das Saarland vergleichsweise wenig Potenzial bietet. Stadtstaaten wurden in der Studie dem jeweiligen Flächenland zugeordnet.
Bewertung mit Bodeneignungsindex und Experteninput
Zur weiteren Differenzierung entwickelten die Wissenschaftler einen sogenannten Bodeneignungsindex, mit dem sie Flächen nach Eignungsklassen bewerteten – von hervorragend geeignet bis ungeeignet. Ausschlaggebende Faktoren waren neben der Sonneneinstrahlung auch die Nähe zu Netzeinspeisepunkten, die Art der landwirtschaftlichen Nutzung und das Vorhandensein von Dauerkulturen.
Die Gewichtung der Kriterien erfolgte mit Unterstützung von Experten aus Landwirtschaft, Netzbetrieb und Wissenschaft. Ein zentrales Hindernis: Viele Flächen könnten wegen fehlender Netzanschlüsse derzeit nicht genutzt werden. Hier besteht also erheblicher Ausbaubedarf.
Regionale Studien belegen Machbarkeit
Im Rahmen des Projekts „AgriChance“ wurde beispielsweise das Potenzial im ländlichen Raum Hamburgs untersucht. In Regionen wie dem Alten Land oder den Vier- und Marschlanden fanden die Forscher bis zu 620 Hektar geeignete Fläche – ideal für Agri-PV in Kombination mit Obstbau.
Auch auf Gebäuden besteht laut Studie die Möglichkeit, etwa 50 Megawatt Solarstrom zu erzeugen. Ähnliche Untersuchungen in den Landkreisen Ahrweiler und Breisgau-Hochschwarzwald ergaben, dass dort Agri-PV-Anlagen bis zu 16 beziehungsweise 12 Prozent des lokalen Stromverbrauchs decken könnten.
Zukunftsweisende Technik mit großem Hebel
Agri-Photovoltaik stellt eine zentrale Technologie dar, um Energie- und Landwirtschaftspolitik miteinander zu verknüpfen. Die Studie des Fraunhofer ISE zeigt: Deutschland verfügt über ausreichend geeignete Flächen, um die Energiewende durch Agri-PV maßgeblich voranzutreiben – vorausgesetzt, regulatorische Hürden und Netzanschlüsse werden gezielt adressiert.
Um das volle Potenzial der Agri-Photovoltaik ausschöpfen zu können, muss die Politik die Rahmenbedingungen festlegen und für geeignete Netzanschlusspunkte in den betreffenden Regionen sorgen. Mit dem Bodeneignungsindex liefert die Forschungsgruppe die nötigen Daten für den zielgerichteten Ausbau der Netzanschlüsse. Für die Landwirtschaft bietet die doppelte Flächennutzung enormes wirtschaftliches Potenzial für die Betriebe.
Bilder: KI-generiert